Michael Scheffel
Arthur Schnitzler digital
Das deutsch-britische Forschungsprojekt "Arthur Schnitzler: Digitale historisch-kritische Edition (Werke 1905 bis 1931)" erarbeitet in Kooperation mit den britischen Universitäten Cambridge und University College London, mit dem Center for Digital Humanities an der Universität Trier sowie mit den Archiven der Cambridge University Library, des Deutschen Literaturarchivs Marbach und des Arthur-Schnitzler-Archivs Freiburg eine digitale genetische Edition der Werke Arthur Schnitzlers von 1905 bis 1931. Das deutsche, Anfang 2012 gegründete und von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste finanzierte Teilprojekt bearbeitet die Werke ab 1914.
Ziel des Projekts ist die Erarbeitung einer digitalen historisch-kritischen Neuedition des literarischen Werks von Arthur Schnitzler und deren Publikation im Rahmen einer von der Cambridge University Library als 'host' beherbergten öffentlich zugänglichen Online-Plattform. Sieht man von einer Edition des Reigen und der vor kurzem begonnenen Wiener Ausgabe des Frühwerks in Buchform ab (de Gruyter 2011ff.; unterdessen auch als eBook), so sind die Werke des großen österreichischen Schriftstellers Arthur Schnitzler (1862–1931), im Gegensatz zu denen anderer Vertreter dieser Epoche, bis heute nicht in einer wissenschaftlichen Edition greifbar. Unter Einbeziehung des riesigen, 1938 in letzter Minute vor der Zerstörung durch die Nationalsozialisten nach Cambridge geretteten (und heute hauptsächlich dort und zu einem kleineren Teil in Marbach aufbewahrten) Nachlassmaterials erarbeitet das Forschungsvorhaben Einblicke in Arbeitsweise und produktionsästhetische Prinzipien eines Autors, der die gesamte Epoche der Klassischen Moderne (ca. 1890–1930) von ihren Anfängen bis zu ihrem Ende literarisch äußerst vielgestaltig und mit hochgradiger Sensibilität für ihre Probleme und Widersprüche mitgeprägt hat.
Das Online-Portal führt die physikalisch getrennten Archivbestände erstmals virtuell zusammen und vereint die Funktionen eines Archivs und einer Edition. Sämtliches überliefertes Material – Manuskripte wie Typoskripte – wird digital reproduziert, mit den editorisch hergestellten Textwiedergaben verknüpft und durch Kommentare, Register, Indices etc. erschlossen. Durch verschiedene Textansichten (diplomatische Transkription, genetisch-interpretierende Rekonstruktion, emendierte Lesefassung) entsteht eine multiperspektivische, die Dimensionen der 'Textualität' und der 'Materialität' gleichermaßen berücksichtigende Edition. Darüber hinaus eröffnet das digitale Medium die Möglichkeit, die für Schnitzlers Arbeitsweise so typischen, zum Teil über mehrere Jahrzehnte verlaufenden Schreibprozesse mit ihren vielfachen komplexen Stoffverzweigungen über Text- und Gattungsgrenzen hinweg in ihrem Systemcharakter und in ihrer Interdependenz mittels hypertextueller Strukturen und nicht-sequentieller Ordnungsmuster in adäquater Weise zu repräsentieren.
Leiter des Wuppertaler Teilprojekts sind Prof. Dr. Wolfgang Lukas und Prof. Dr. Michael Scheffel in Kooperation mit Dr. Thomas Burch (Trier) sowie Prof. Dr. Andrew Webber (Cambridge). Für alle weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie weitere Details vgl. arthur-schnitzler.de